• Gerechte Einkommen
09. August 2022
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Was hat zuckerfreie Limo mit Biopiraterie am Hut? Und was ist überhaupt Biopiraterie? Mehr darüber und über die Rechte indigener Völker erfährst du hier.

Biopiraterie? Bio-Piraten?

Biopiraterie - Was im ersten Moment vielleicht lustige Bilder im Kopf von Piraten in Birkenstock Sandalen erzeugt, beschreibt leider ein ernstes Thema. Der Wettlauf um die Rechte an genetischen Ressourcen und dem Wissen darüber hat schon lange begonnen. Große Konzerne versuchen mit Hilfe von Patentanmeldungen exklusive Rechte über Naturprodukte zu erhalten. Zu diesen natürlichen Gütern zählen beispielsweise Stevia, Rooibos, Mais und diverse Heilpflanzen. Um mehr Profit aus genannten Produkten schlagen zu können, versuchen sie über Patente alleinige Nutzungsrechte zu erhalten. Viele Produkte, die wir konsumieren haben ihren Ursprung in dem jahrhundertealten Wissen von indigenen Völkern. Dabei geht es hauptsächlich um Genuss-, Nahrungs- und Heilpflanzen, deren Wirkung und Zubereitung von Indigenen entdeckt und kultiviert wurde. Internationale Unternehmen eignen sich diese genetischen Ressourcen oder das Wissen darüber an und vermarkten es weltweit. Das Problem: Teilen tun sie ihre Millionen Gewinne nur sehr selten mit den indigenen Völkern.

Was hat zuckerfreie Limo damit zu tun?

Ein Beispiel von Biopiraterie ist die Vermarktung der Stevia-Pflanze. Sie wird vor allem in der Getränkeindustrie als alternatives Süßungsmittel eingesetzt. Das „süße“ Potenzial der Stevia Pflanze haben vor Jahrhunderten die indigenen Pai Tavyteraa aus dem Grenzgebiet zwischen Paraguay und Brasilien entdeckt. Mittlerweile ist ein regelrechter Boom um Stevia und ihre süßen Eigenschaften entstanden. Der Marktwert von aus Stevia gewonnen Süßungsmitteln wird auf knapp 500 Mio. US-Dollar geschätzt. Die Pai Tavyteraa bekommen davon bisher leider keinen Anteil. Das einstige Land der Pai Tavyteraa gehört heute Großgrundbesitzern. Sie selbst leben verdrängt in Reservaten und haben kaum Einkommen.

Das Nagoya Protokoll

Wie kann das sein? Ist das legal? Tatsächlich wurde bereits 1992 die sogenannte Biodiversitätskonvention von der internationalen Gemeinschaft, mit Ausnahme der USA, ins Leben gerufen. Die Ziele der Konvention sind der Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt sowie die gerechte Aufteilung der Gewinne, die aus der Nutzung genetischer Ressourcen entstehen. Leider wurde der Vertrag nur selten in nationales Recht umgesetzt. Deswegen haben die Vertragsstaaten 2010 das Nagoya-Protokoll ausgehandelt, das den Zugang zu genetischen Ressourcen und den gerechten Vorteilsausgleich aus ihrer Nutzung rechtlich bindend regelt. Die meisten Unterzeichnerstaaten haben inzwischen nationale Rechtsvorschriften über den Zugang und den Vorteilsausgleich verabschiedet. Einige Staaten wie die USA haben das Protokoll bisher nicht unterzeichnet.

Fairer Vorteilsausgleich

Was ist eigentlich mit Vorteilsausgleich gemeint? Auch als „Benefit Sharing“ bekannt, sieht der Vorteilsausgleich eine Gewinnbeteiligung der Ursprungsländer an der Nutzung natürlicher Ressourcen vor. Das bedeutet Firmen, welche beispielsweise Stevia in ihren Produkten verarbeiten, müssen einen Anteil ihres Gewinns an die Ursprungsländer auszahlen. Die Umsetzung scheitert aber oft noch an der Einforderung dieser Rechte. Auf der einen Seite kennen viele indigenen Völker die Rechtslage nicht. Auf der anderen Seite versuchen Konzerne sich häufig gegen die Ansprüche zu wehren, so dass oft ein jahrelanger Rechtsstreit entsteht. Es gibt aber auch manche Firmen, die freiwillig einen Teil ihres Gewinns weitergeben. Die Union for Ethical Biotrade (UEBT) ist eine non-profit Organisation, die ihr Zertifikat an Konzerne ausstellt, welche Kriterien hinsichtlich eines fairen Vorteilsausgleich erfüllen.

Der Wind wird den Bio-Piraten so hoffentlich immer mehr aus den Segeln genommen, sodass in naher Zukunft ein fairer Vorteilsausgleich Standard wird und die eigentlichen Urheber des jahrhundertealten Wissens am Erfolg ihrer Entdeckungen teilhaben.

Hör dir dazu auch die neue Podcastfolge "Vom Feld ins Regal" an. Thilo und Lara sprechen darin mit der Journalistin Julia Jaki. Sie hat für das ZDF eine beeindruckende Dokumentation über Biopiraterie gedreht. Die Folge findest du hier.