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27. September 2021
© Elena Schweitzer

Wein aus Fairem Handel ist die Antwort auf gleich mehrere Herausforderungen im Weinsektor. Fairer Weingenuss erfüllt die Erwartungen der Konsument*innen nach einer nachhaltigeren Produktion, verbessert die Arbeitsbedingungen bei der Weinproduktion und führt zu langfristigen Handelspartnerschaften und rentableren Vertragsgestaltung zwischen Erzeuger*innen und Händler*innen. Und zwar überall auf der Welt.

Weinlage und Rebsorte, Aussehen und Aroma sind längst nicht mehr die einzigen Entscheidungskriterien beim Weinkauf. Die Produktions- und Handelsbedingungen rücken immer mehr in den Fokus von Verbraucher*innen wie Händler*innen. 2020 wurden in Deutschland schätzungsweise rund 13,17 Millionen Euro mit Wein aus Fairem Handel bei einem Absatz von 2,63 Millionen Liter erlöst. (Statista) Ein Bruchteil des Weinkonsums in Deutschland. 

Weltweit wird Wein mit sehr unterschiedlichen Bedingungen erzeugt und gehandelt. Um die Bedeutung des Fairen Handels im Weinsektor zu verstehen, ist es notwendig, sich diese Bedingungen vor Augen zu führen. 

Südafrika, Chile und Argentinien sind die größten Weinproduktionsländer der Welt. Ihre Weine werden weltweit geschätzt. Sie entstehen allerdings häufig unter großen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Herausforderungen. 

In Südafrika ist die Forderung nach fairen Verhältnissen im Weinsektor eine Antwort auf die Diskriminierung und die schlechten Sozialbedingungen vieler im Sektor Beschäftigten: nach Apartheid und Segregation stehen heute soziale Emanzipation und der Kampf der Gewerkschaften um die Anerkennung der Rechte auf angemessene Arbeitsbedingungen und gerechte Entlohnung im Mittelpunkt. 

In den Weinbergen der «neuen Welt» (Chile, Argentinien) liegt der Fokus auf gerechter Entlohnung und angemessener Arbeitsbedingungen. Die Weinproduktion wird oft von großen und mächtigen Landbesitzer*innen dominiert, die sich auf den Export nach Nordamerika, Asien und Europa spezialisiert haben. Die Beschäftigten werden häufig ausgebeutet. Es gibt nur wenige Kleinbauern und Kleinbäuerinnen oder Erzeugergenossenschaften. Sie können mit den großen Hersteller*innen und den niedrigen Preisen nicht konkurrieren.  

Mit dem Kauf von Wein aus fairem Handel werden die Lebensbedingungen der Arbeiter*innen im Weinberg und der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe nachhaltig verbessert. Arbeiter*innen in den zertifizierten Weingütern erhalten Mindestlöhne, Urlaub und soziale Versorgung. Die Einnahmen aus den Zuschlägen zum fairen Preis werden von den Arbeiter*innen oder kleinen landwirtschaftlichen Produzent*innen demokratisch für gemeinnützige Projekte verwendet. Dies kann zum Beispiel die Einrichtung von Krankenstationen oder die Verbesserung der Wasserversorgung sein. Die Handelspartnerschaften sind langfristig. Im Mittelpunkt stehen hier soziale Gerechtigkeit, Empowerment der Landarbeiter*innen, Abbau von Abhängigkeiten. 

Auch in den Industrieländern stehen die Winzer*innen unter Druck. Sie sind auf die Vermarktungsstrukturen und das Verhandlungsgeschick ihrer Händler*innen oder der Kellereien angewiesen, um Zugang zum Einzelhandel zu erhalten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, werden die Weine lokal verkauft oder sind so prestigeträchtig, dass der Preis kein Problem darstellt.  

Der Einzelhandel strukturiert den Markt mehr und mehr. Er platziert die heimischen Weine in Konkurrenz zu internationalen Weinen in den Regalen. Die Weine des mittleren Segments, die den Großteil des Sortiments ausmachen, müssen also von Händler*innen, die über ein großes Volumen und eine große Sortimentstiefe verfügen, oder von großen Genossenschaften angeboten werden, um am Markt bestehen zu können. Das Interesse des Weinhändlers oder der Weinhändlerin besteht also darin, sich einen relativ niedrigen Einkaufspreis zu sichern, um mit dem oder der Einzelhändler*in über eine vertraglich vereinbarte, aber noch nicht bezahlte Menge verhandeln zu können (geerntet im Jahr N, verkauft in Form von Flaschen im Jahr N+1 oder N+2 oder mehr). Der Erzeuger oder die Erzeugerin hat ein Interesse daran, dass der Preis für seine oder ihre Ernte sichtbar ist, so dass er oder sie seine Produktionskosten decken kann, z. B. unter Berücksichtigung der klimatischen Risiken, und dass er oder sie so schnell wie möglich bezahlt wird. Händlerinnen, Händler und Weinkellereien müssen daher über große Lagerkapazitäten verfügen und ihren Cashflow nutzen, um die Erzeuger*innen so spät wie möglich zu bezahlen.  

Heute steht der Weinanbau-Sektor in Europa vor vielen Herausforderungen. Die Fair Trade Zertifizierung spielt hier eine wichtige Rolle : 

  • Die Verbraucher*innen sorgen sich um die der Umwelt und ihre Gesundheit. Einige achten auf die Gewährleistung angemessene Arbeitsbedingungen für Saisonarbeiter*innen. Das führt zur vermehrten Herstellung von Bio- oder FairTrade-Weinen. Für die Verbraucher*innen in Ländern mit staatlichen Weinmonopolen (wie Kanada, Schweden, Norwegen) spielt neben der sozialen Gerechtigkeit noch ein weiterer Aspekt eine Rolle beim Kauf von Wein aus Fairem Handel. Man erhofft sich eine nachhaltigere Form der Regulierung des Alkoholkonsums. Staatliche Weinmonopole erkennen die Labels des Fairen Handels mittlerweile als ausreichende Garantie für Gerechtigkeit und Wahrung der Menschenrechte für Weine aus dem Süden an. 
     
  • Die Erzeuger*innen benötigen eine Preispolitik gegenüber den Händler*innen und/oder ihren Genossenschaftskellereien, die ihnen ein stabiles Einkommen gewährleistet, um Investitionen in nachhaltigerer Praktiken tätigen zu können. Dann können sie in eine ökologischere Umstellung (mechanische Unkrautbekämpfung oder saubere Weinaufbereitungsmaschinen) investieren, und so ihren Mehrwert steigern. Um die Kosten zu senken, ist es interessant, die Investitionen mit mehreren Winzer*innen zu teilen, so entstehen Kollektivstrukturen. 
     
  • Genossenschaftliche Weinbaubetriebe und Händler*innen müssen die Erwartungen von Verbraucher*innen und Erzeuger*innen erfüllen: Der Einzelhandel schafft ein neues Marktsegment für verantwortungsvollen Wein, sie sind bio und fair gelabelt. Zugleich wollen die Händler*innen den Erwartungen der Erzeuger*innen nach einer besseren Vergütung entsprechen, um sie an sich zu binden und Investitionen zu ermöglichen, die einen höheren Mehrwert erzielen können. 

In Europa scheint Fairer Handel im Weinbau also in erster Linie eine Lösung zu sein, um den Erwartungen der Gesellschaft und der Verbraucher*innen gerecht zu werden, durch die Unterstützung einer längerfristigen und rentableren Vertragsgestaltung (zwischen Erzeuger*innen, Weinkellereien und Händler*innen, die stabile Preise ermöglicht) und die Begleitung der Erzeuger*innen bei dieser Umstellung.